1 Kirche plus 1 Kirche gleich eine Kirche?
 

Der Pastor steht in der neuen St. Petrikirche hinter dem Altar. Wie die Katholiken seit dem 2. Vatikanum. Vertreter der katholischen St. Ansgargemeinde sind bei der Einweihung zu Gast. Im Kindergottesdienst wird in Langen bei den Gebeten gekniet. Evangelische und katholische Frauen -und Männerkreise besuchen sich gegenseitig. Was ist los? Man nennt es wohl Ökomene, was da seine Einflüsse zeigt: Begegnung zwischen evangelischen und katholischen Christen. Zunächst waren es Kontakte zwischen Pfarrer Kusch von der St. Ansgargemeinde in Leherheide und Pastor Wittenborn aus Langen. Warum sollte zwischen diesen beiden Gemeinden nicht möglich sein, was anderorts schon seil Jahren üblich ist - nämlich gutnachbarlicher Kontakt, überlegten beide.

Den Anfang machte der Männerkreis aus Langen. Er lud im Frühjahr 1978 Männer aus der Kolpingfamilie St. Ansgar ein. Im Herbst zogen dann die Frauen nach: In 2 Treffen besuchten sie den Reformationsfestgottesdienst vor.

Der erste gemeinsame Gottesdienst gerade an diesem Tag deutete schon die Richtung an: Luthers 95 Thesen hatten die Spaltung der Kirchen eingeleitet. Seitdem haben Menschen unter diesem Riß gelitten. Bei dem ersten Treffen der Frauen beider Konfessionen wurde das ganz deutlich. Viele leben in konfessionsverschiedenen Ehen. Andere haben bitter erfahren müssen, daß sie schlechter angesehen waren, nur weil sie nicht zu der Kirche gehörten, zu der die Mehrheit ging. Und das auf beiden Seiten. Die Macht der Vorurteile ist auch heute noch nicht gebrochen, auch wenn nach außen hin die meisten sagen, für sie spiele es keine Rolle, welcher Konfession einer angehöre. Das kam in den Gesprächen direkt und indirekt häufig zum Ausdruck. Vor allem der häufige Kirchen besuch der Katholiken wurde zum Streitpunkt.

Beim nächsten Treffen im Juni 1979 verhinderten sintflutartige Regenfälle, daß Frauen der Kaminrunde und des Gesprächskreises in größerer Zahl mit den Pastoren Kusch und Wittenborn in St. Ansgar zusammensaßen. Bei der Gruppenarbeit besprach dann Pfarrer Kusch mit evangelischen Frauen den Text vom Petrus, dessen Glaube so stark ist, daß er das Boot verläßt und über das Wasser auf Jesus zugeht. Und Pastor Wittenborn saß mit Frauen von St. Ansgar über der Geschichte von der blutflüssigen Frau, die nicht locker läßt, bis Jesus sie heilt. „Glauben in Gemeinschaft" war das Thema des Abends.

Es bewahrheitet sich dabei wieder einmal die alte Erkenntnis, daß Vorurteile und Ängste in persönlichen Kontakten am schnellsten abgebaut werden . Stand bei dem ersten Treffen noch das Trennende stark im Vordergrund, so beschäftigte uns im Laufe der Gespräche mehr und mehr das Verbindende. - Der Glaube an den gemeinsamen Herrn.

Das Gegenüber war ja nun nicht mehr „die Katholiken" oder „die Evangelischen", sondern z. B. die Frau Schulz (ka th.) und die Frau Schulz (evang.). Bei alledem ist natürlich nicht unwichtig, daß der „Zufall" es so gefügt hat, daß Frau Will, die Leiterin der Frauengemeinschaft von St. Ansgar, und Frau Wittenborn, die die Leitung der Kaminrunde hat, sich gut verstehen. Der heilige Geist ist sicher eine starke Kraft, wenn Menschen beider Konfessionen sich begegnen. Aber er nimmt wohl auch die zwischenmenschlichen Sympathien gern in seinen Dienst, um die Kirchen einander näher zu bringen.

Die Vorbereitungen für den Weltgebetstag der Frauen brachten dann im Februar 1980 das bisher wohl beste Gespräch zwischen Frauen und Pastoren beider Gemeinden. Daß die Langener zu dem  Zeitpunkt keine Kirche hatten, war der Ausgangspunkt gewesen. Willkommener Anlaß, einmal mehr gemeinsam im Gebet vor Gott zu stehen.

Jetzt ist die St. Petri Kirche fertig. Es sind noch viele Schritte nötig, wenn aus 1 Kirche (ev.) und 1 Kirche (kath.) die „eine christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen" , von der wir im Glaubensbekenntnis sprechen, werden soll. -

„Laß uns in deinem Namen Herr die nötigen Schritte tun, gib uns den Mut, voll Glauben Herr, heute und morgen zu handeln" - das wäre ein Lied, das bei dem nächsten Treffen gemeinsam gelernt werden könnte.

G. Will
Leiterin der Frauengemeinschaft St. Ansgar
1. Wittenborn
Leiterin der Kaminrunde St. Petri

 

Alle Spaltung der Christenheit wird ein Ende haben,
wenn sie alle seine und nur seine Stimme hören.

D. Bonhoeffer
(4. 2. 1906 - 9. 4. 1945)